Rückblick Gartenreise England 2017:
Winchelsea ist eine kleine Stadt in der ländlich geprägten Grafschaft East Sussex, zwischen dem in vorigen Posts über die England-Gartenreise erwähnten High Weald und der Romney Marsh, etwa 3,2 km südwestlich von Rye. Es hat heutzutage 580 Einwohner in 278 Häusern.
Und warum ist es für mich das schönste Dorf der ganzen Gegend? Das Dorf dicht bei dicht auf die Spitze des Hügels gebaut. Es ist so klein und die Straßen sind so schmal und wenig befahren, dass man überhall hin lieber zu Fuß gehen möchte. Es ist schachbrettartig geplant mit dem Kirchplatz und Friedhof in der Mitte, was das Dorf sehr überschaubar macht und den Eindruck einer funktionierenden Dorfgemeinschaft macht. Die Häuser sind alt und mutzelig, aber liebevoll restauriert und gepflegt. Es ist fast kitschig englisch, im meinen Kopf laufen sogleich Bilder von fahrradfahrende Vikaren, Miss Marple und dem Dr. und das liebe Vieh. Der Friedhof erinnert mich an Godric’s Hollow aus Harry Potter.
Aber besonders beeindruckend ist die Rosenblüte im Dorf und die Hingabe, mit der hier jeder Anwohner seinen Vorgarten und seine Spalierrosen pflegt. Es ist fast als läge jeder Einwohner mit dem Anderen im Wettstreit, wer die schönste Hausansicht hätte.
Ich habe alte Leute dabei beobachtet, wie sie auf Leitern zu ihren Spalierrosen kletterten um einzeln abgeblühte Köpfe abzuschneiden, auf dass die Blühzeit verlängert werde. Die Häuser sind individuell aber, alles fügt sich in ein stimmiges Bild, alle bemühen sich um den harmonischen Gesamteindruck. Kein Egomane, der sein funky Angeberheim den Anderen vor den Latz knallt.
Winchelsea steht auf einem Hügel, der von einem weitgehend leeren Marschland umgeben ist, das sich viele Schafe mit den Windrädern teilen. Die historische Darstellung unterscheidet sich vom Anblick der Gegenwart nur durch die Mode der Besucher im vorderen Bildrand. Es sieht immer noch genau so aus.
Winchelsea beherbergt eine der größten Sammlung mittelalterlicher Weinkeller im Land, mit Ausnahme von Norwich und Southampton. Es hat auch noch drei mittelalterliche Stadttore und mehrere ursprüngliche Gebäude dieser Zeit, darunter die Pfarrkirche, die dem heiligen Thomas der Märtyrer gewidmet ist.
Das Stadttor, das man auf dem Gemälde sieht kann heute mit dem Auto durchfahren werden. Der Ausblick auf die Marsch ist von dem letzten Haus aus, links vom Stadttor. Alles ist gleich geblieben, seit es gemalt wurde.
Die Stadt wurde auf dem Grund einer älteren, mittelalterlichen Stadt erbaut, die 1288 gegründet wurde. Sie sollte eine frühere gleichnamige Stadt, die als Old Winchelsea bekannt ist, ersetzen.
Old Winchelsea befand sich auf einer massiven Kiesbank, die den Zusammenfluss der Flussmündungen der Flüsse Brede, Rother und Tillingham beschützte und einen geschützten Ankerplatz namens Camber bot.
Die alte Stadt wurde im Jahr 1130 erwähnt. Man schätzt, dass es hier in den 1260er Jahren, über 700 Häuser, zwei Klöstern und über 50 Gasthäuser und Tavernen gab. Vor 1280 zerstörten Meereseinbrüche einen Großteil der Stadt, bis eine massive Flut sie 1287 vollständig zerstörte. Das Gebiet wird jetzt von den Camber Sands Sandbänken bedeckt. ( Blogbeitrag zu Camber Sands kommt noch.)
Nach der normannischen Eroberung war Winchelsea im Kanalhandel (insbesondere als Zolllager für London) und als Marinestützpunkt von großer Bedeutung. Im 13. Jahrhundert wurde es für den Weinhandel mit der Gascogne bedeutend. Daher die vielen Weinkeller im Ort.
Winchelsea gehörte zusammen mit Rye zu den “alten Städten”, die sich im 12. Jahrhundert der Cinque Port Confederation anschlossen. Während des Hundertjährigen Krieges wurde die Stadt von den Franzosen und Spaniern angegriffen, aber ihr Untergang kam mit der allmählichen Verlandung ihres Hafens. Winchelsea war noch 1500 wohlhabend, aber bis 1560 war es zu einer “Siedlung” von nur noch 60 Haushalten zusammen geschrumpft. Zeuge einstiger Größe ist nur noch die viel zu große Pfarrkirche. Es gibt heute nur noch zwei “Tavernen”.
Wenn man zur rechten Zeit kommt kann man auch eine Führung durch die Weinkeller des Ortes erhalten. Das Glück hatten wir leider nicht. Es findet auch an drei Terminen jährlich ein Tag der offenen Gartentür statt. Wir haben den Sommertermin um nur 3 Tage verpasst. wir mussten leider schon wieder abreisen. Ich hätte es mir zu gerne angesehen.
Wahnsinnn diese Spornblumen, es scheint ihnen in der Mauerritze besser zu gehen, als in der Erde. Alles sieht so dekorativ aus.
Hier sind sie zu sehen, diese kleinen süßen Straßen, die zum spazieren und verweilen einladen.
Und trotzdem ist es kein Museumsdorf. Hier wird gelebt und auch richtig gegärtnert, wie dieser Nutzgarten zeigt.
Und immer wieder gibt es spannende pflanzen, die ich nicht kenne. Weiß jemand, was das ist?
Hinter dieser Mauer steht noch die Ruine vom einstigen “hospital”, welches aber nur mittellose Alte der Gemeinde einen würdigen Lebensabend gewähren sollte. Auf dieser Seite steht auch die Ruine der “Blackfriars”, der Dominikanermöche.
Januar 24, 2018 at 6:47 am
abgesehen davon, dass es wirklich ein wunderschönes dorf ist, unbelastet von bausünden, die insbesondere in deutschland die dörfer verschandeln, liebe ich diesen ‘wildwuchs’, wenn pflanzen sich selbständig machen und z.t. an stellen wachsen, wo man kaum glauben kann, dass da was wächst.
ein wunderschöner rundgang.
danke hanna
Januar 24, 2018 at 9:48 am
:-) liebe grüße
Januar 26, 2018 at 7:02 pm
Hallo reisende Gärtnerin,
ach ja, schade, dass ich nicht mit Dir durch den Ort laufen konnte, es ist wirklich wunderschön da. Diese Rosen! Was da für seltsame Pflanzen auf der letzten Mauer wachsen, weiß ich auch nicht. Sowas habe ich noch nie gesehen. Ich habe einige Sukkulenten (in kleinen Blumentöpfen im Fensterbrett, die zeigen ähnliche Blütensteine (natürlich viel kleiner). Aber die Blätter passen absolut nicht. Kurz: ich habe keine Ahnung. Danke für Deinen Beitrag. Und ich dachte schon, im Januar gibt es keine Garten-Posts.
Alles Liebe
Mutti
Januar 26, 2018 at 9:07 pm
Hallo Mutti,
doch doch, ich gebe mir immer Mühe einen erbaulichen Post zu kreieren, auch im Winter, wenn es irgend möglich ist. Ich habe von den Garten-Youtubern, die ich gucke, gelernt zu sammeln und aufzuheben, so dass man dann immer was dropen kann, damit keine tote Hose ist. Und ich habe von unserer Reise noch einiges im “Vorratsschrank” zu liegen:-)))
Ich knipse hier übrigens auch ganz fleißig zur Sache. In meinem Kopf geht es schon wieder rund und ich plane schon ganz vorfreudig und munter. So wird auch der Februar nicht langweilig werden.
lg in die Heimat. Wir haben heute Sonnenbrand und ich war am Hippie- Beach, wo die Hippies in Höhlen hausen und ihre Zwiebackbaby-braunen Körper und ihre langen Dreads im wilden Meer baden.
Januar 27, 2018 at 10:55 pm
Hallo mein Kind,
danke für deine schnelle Antwort.
Ich habe nach der seltsamen Pflanze an der Kirchhofsmauer von Winchelsea gesucht und bin fündig geworden. Die Pflanze heißt Navelwort, auch Pennywort, lateinisch: Umbilicus rupestris. Sie hat ihren Namen vom nabelähnlichen Aussehen der Blätter und kann als Heilpflanze bei Hautverletzungen genutzt werden. Es ist eine Succulente. Kannst es ja mal selbst nachlesen. Viel Spaß noch in der Sonne.
Alles Liebe
Mutti